Predigt üb. Mk 10,17-27 (III) am 15.10.2017) 18. So. n. Trin. in Basel
„Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass er auch seinen Bruder liebe“ (1.Joh 4,21)

 

17 Und als Jesus hinausging auf den Weg, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?

18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als der eine Gott.

19 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.«

20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.

21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!

22 Er aber wurde betrübt über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.

23 Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!

24 Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist's, ins Reich Gottes zu kommen!

25 Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.

26 Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden?

27 Jesus sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist's unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.

Gnade sei mit euch und Friede   von Gott, unserm Vater,   und dem Herrn Jesus Christus.   AMEN.

 

Lasst uns in der Stille um den Segen Gottes für die Predigt des Wortes Gottes beten. STILLE

Unsere Hoffnung – der himmlische Vater. Unsere Zuflucht – der eingeborene Sohn. Unser Schutz – der Heilige Geist.

Dreieiniger Gott, Ehre sei Dir. AMEN.

 

Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern,

 

50 Jahre Martin-Luther-Bund in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein feiern wir heute (3. September/2. Oktober 1967). Verbinden werden wir dies mit Dank und Abschied des bisherigen Vorstands. Einführen werden wir mit der Bitte um Gottes Segen einen neuen Vorstand. Der Zweck des Vereins ist in den Statuten beschreiben: „Förderung des Aufbaues und der Pflege der lutherischen Kirche in aller Welt“, also weltweit, aber auch in der Schweiz und im Fürstentum Lichtenstein selbst - wie es im Fortgang der Statuten beschreiben wird. Für diese Arbeit werden verschiedene Projekte und Programme ausgeschrieben. Dafür braucht es Engagement. Daher sage ich ein besonders Dank an die bisherigen und neuen Mitglieder des Vorstands und ihre Helfer in den Gemeinden. Und dann braucht es natürlich auch Geld. Das wird aufgebracht durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Stiftungen, Kollekten und Zinsen. Die Spender (oder Gönner - wie man in der Schweiz sagt) müssen - am besten persönlich - angesprochen und um Unterstützung gebeten werden. Freundlich und passend muss diese Ansprache sein. Wer spendet, will mit seinem Beitrag etwas ändern, einer Not abhelfen; da gehört dann auch dazu, dass er informiert wird und vor allem auch bedankt wird. Inzwischen gibt sogar es eine ganze Sparte der Wirtschaftswissenschaften, die sich dem Spenden befasst.

Und jetzt schauen Sie sich noch einmal die Geschichte an, die wir heute als Evangelium für die Predigt gehört haben: Eine Katastrophe! Als Gönner hätte man den Mann gewinnen müssen. Für kleinere oder größere Projekte, vielleicht auch als sogenannten Großspender, „denn er hatte viele Güter“, wie es später heißt. Er hätte sich das leisten können. Dann hätten wir ihn gerne auch für regelmäßige Beiträge gewonnen. Keine christliche Gemeinde kann ohne Beiträge existieren – das wissen Sie in Basel nur zu gut.

Aber Jesus? Was tut er? Er stößt den Mann vor den Kopf mit völlig übertriebenen Erwartungen: „Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen,“ sagt Jesus. Kein Wunder, der Mann „wurde betrübt…und ging traurig davon“. Und die Jünger sind „entsetzt“: Wenn nicht der, wer dann?

So gewinnt man doch keine Leute und so finanziert man auch keine Gemeinde und Kirche. Mal ehrlich: Einen solchen Jesus würden Sie kaum als Pfarrer oder Kirchenvorstand nehmen. Keine Einfühlung, kein Verständnis für das Gegenüber.

 

„Beim Geld hört die Freundschaft auf“, sagt schon das Sprichwort. Das zeigt sich immer wieder. Da wird leicht eine Grenze überschritten, die wir als unverschämt empfinden. Das gilt nicht nur für die ganz Reichen, sondern auch für die vielen in der Mitte, die ihr Auskommen haben. Übrigens auch für die Ärmeren. Erst wenn einer wirklich gar nichts mehr hat und im wahrsten Sinne des Wortes betteln muss, ist es egal. Aber selbst bei den Bettlern gibt es Konkurrenz und Kampf um die besseren Plätze: Beim Geld hört die Freundschaft auf.

 

Was läuft hier falsch? Liegt es am Geld? Korrumpiert Geld jeden, der es hat? Und dann auch festhalten will? Viele verstehen Jesus immer nur so, dass er mit seinen hohen Erwartungen Vorwürfe macht, Moral predigt.

 

Aber es gibt noch eine andere Art und Weise, sich dieser Geschichte, und damit Jesus selbst zu nähern. Dazu gehen wir an den Anfang der Geschichte und schreiten sie ab bis der Bogen bis zum Ende gespannt ist:

Am Anfang steht die Frage: „Was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“ Jesus verweist auf die Gebote: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ Das ist übrigens nur die Hälfte der Gebote. Alle Gebote zu Gott fehlen. Der Mann antwortet: „Das habe ich alles gehalten …“ Das ist schon ziemlich anspruchsvoll. Aber Jesus stellt das gar nicht Frage. Er sieht ihn und „gewinnt ihn lieb“ heißt es da. Wie auch immer: Jesus hat Sympathie für ihn, er ist ihm sehr zugeneigt.

Jetzt kommt’s: „Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen.“ Das sagt Jesus nicht aus Misstrauen oder Kritik – er hat ihn ja liebgewonnen!

Dann: Die Enttäuschung und Abwendung- das hatten wir schon.

Zweiter Teil: Jesus wendet sich an die Jünger: „Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!“ Immerhin, unmöglich ist es nicht, aber schwer. Die Jünger sind entsetzt. Jesus legt noch eins drauf: „Wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“ Die Jünger „entsetzten sich noch viel mehr.“ „Wer kann dann selig werden?“

Finale: „Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“

Damit ist der Bogen gespannt: Am Anfang: Was soll ich tun, damit ich ewige Leben ererbe? Am Ende: „Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“

Und das begleitende Grundmotiv lautet: „das ewige Leben ererben“, „in das Reich Gottes kommen“, „selig, d.h. gerettet werden“

Stellen Sie sich das wie Musik vor: Da ertönt das begleitende Grundmotiv von Erlösung und Rettung.

Aber daneben spielt einer das Lied vom Menschen. Was kann ich tun? Was kann ich tun? Was kann ich tun?- Die Melodie singt von der bürgerlichen, frommen Anständigkeit: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ Also davon, wie wir unser Zusammenleben gut organisieren und gestalten. Viele begnügen sich in ihrer Religion mit dieser Melodie, andere spielen diese Melodie inzwischen ganz ohne Gott. Die meisten Menschen sind damit zufrieden. Sie wollen gar keine Erlösung. Das war der reiche Mann weiter. Mit seiner Frage geht er schon auf die Brücke „Was kann ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?

Die Antwort auf dieses „Was kann ich tun?“– erfolgt wie ein Paukenschlag: Nichts, – wenn, ja wenn es um Erlösung geht: Gerettet werden wir allein aus Gnade. Das die Einsicht der Reformation, die Einsicht Martin Luthers, gut evangelisch.

 

Ja, das kränkt uns Menschen, unseren Stolz und auch unser Selbstwertgefühl (modern gesprochen): Was ich Gutes tue (und an Bösem unterlasse), bringt mich noch nicht Gott näher. Gott lässt sich nicht fangen durch unsere Taten. Wenn Gott in unser Leben tritt, dann muss er das selbst tun, es ist ein Geschenk – Gnade eben. Alles andere bleibt an der Oberfläche, an der Außenseite haften: Ein gutes Zusammenleben, das wir ohne Zweifel auch brauchen. Aber das ist noch nicht Gottes Reich.

Der Grundton klingt tiefer: Als Menschen brauchen wir nicht nur ein paar gute Ratschläge, etwas Klugheit und Lebenskunst, sondern Erlösung, damit Leben eben ewiges Leben wird, damit anstelle von materiellen Gütern und ideellen Werten das Reich Gottes kommt, damit unser gut gemeintes Leben nicht immer nur um uns selbst kreist, sondern sich auf Gott ausrichtet.

Das ist schwer zu ertragen, weil wir uns selbst loslassen und Gott anvertrauen.

Das ist aber ein kaum zu beschreibendes Glück, eine Seligkeit – bei allen Mängeln und Fehlern, Sünden und Versäumnissen, bei aller Ohnmacht und Ratlosigkeit, aber doch: bei Gott geliebt, gerettet, erlöst zu sein. Das schafft eine Gelassenheit, Gelöstheit, Gutes zu tun, die nicht vom „Was soll ich tun“ gejagt wird, sondern als Liebe aus der Liebe Gottes quillt und gerne, leicht und ungezwungen Gutes sucht und tut. (Das gilt übrigens auch für das Spenden: leicht, gerne und ungezwungen).

Zugegeben, so durchgängig als erlöstes Lebensgefühl und erlöste Lebensführung gelingt das nicht einfach. Immer wieder und zu oft holt uns das alte Muster, das alte Lied ein. Alles bleibt ein Geschenk, eine Gnade Gottes – immer wieder von Neuem.

Das ist schwer zu beschreiben, weil das nicht herbeigeredet und gemacht werden kann, sondern nur erbeten, gebetet werden kann:

Die Kontrastgeschichte steht daher 20 Verse weiter. Das schreit ein blinder Mann: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner. Er muss mehrmals schreien: Erbarme dich meiner. Da wird die Frage umgekehrt: Der Blinde fragt nicht „Was soll ich tun“, sondern Jesus fragt. „Was willst du, das ich für dich tun soll?“

Das „Herr, erbarme dich“ ist der Glaube des Blinden. Er wird sehend. … Alle Dinge sind möglich bei Gott. AMEN.

Und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN